Lärmbelastung im offenen Cabriolet
Noise-exposure in convertible automobiles
1. Einleitung
In den letzten Jahren liest man immer wieder von den hohen Lärmbelastungen im Cabriolet bei geöffnetem Dach. Ärzte, Krankenkassen und Hörgeräteakustiker warnen vor der Gehörgefährdung bei längeren Cabrio-Fahrten mit hohen Geschwindigkeiten.
So findet man z.B. folgende Meldungen:
- „Neue Studie beweist: Cabrio fahren schädigt das Gehör.“
- „Die Forscher sind sicher, dass häufiges Fahren mit offenem Verdeck zu einer dauerhaften Schädigung des Gehörs führt.“
- „Wer ohne Gehörschutz unterwegs ist, kann ganz unerwartet von Hörschäden überrascht werden.“
- „Ein herrliches Gefühl, aber wussten Sie, dass bei Geschwindigkeiten um die 120 km/h Ihre Ohren schon durchschnittlich 100 Dezibel ausgesetzt sind.“
Die hier genannten Aussagen beziehen sich jeweils auf die von Philip Michael et al. in Großbritannien durchgeführte Studie [1] oder auf die US-amerikanische Studie von Anthony A. Mikulec et al. [2].
Die dort angegebenen verhältnismäßig hohen Pegelwerte waren Anlass, die vorliegenden Studien zur Lärmbelastung im Cabrio einmal etwas genauer zu betrachten, und die Ergebnisse durch eigene Messungen zu ergänzen. Erste Ergebnisse für zwei Cabrios wurden bereits in der Zeitschrift Lärmbekämpfung [3] publiziert. Hier können nun zusätzliche Ergebnisse für drei weitere Fahrzeuge präsentiert werden.
2. Studie von P. Michael et al.
Von Philip Michael und seinem Team [1] wurden die Geräuschbelastungen für 7 unterschiedliche Cabriolets jeweils außerhalb der Stoßzeiten auf einem bestimmten Autobahnabschnitt nahe Worchester/GB erfasst. Dabei kamen folgende Fahrzeuge in serienmäßigem Zustand zum Einsatz: Audi A4, Porsche 911, Aston Martin V8 Vantage, Morgan Roadster, Bentley Continental GT, Toyota MR2 und Mazda MX5. Alle Fahrzeuge wurden mit offenem Dach, offenen Seitenscheiben und ohne Windschott bei Geschwindigkeiten von 80 km/h (50 mph), 96 km/h (60 mph) und 112 km/h (70 mph) gemessen. Zusätzlich wurden die Schalldruckpegel bei 112 km/h bzw. 70 mph auch mit offenen Dach und hochgefahrenen Seitenscheiben erfasst.
Die Geräuschbelastungen wurden jeweils mit einem Schallpegelmesser der Klasse 2 am rechten Ohr des Fahrers (der Straße zugewandtes Ohr – GB!) aufgenommen. Um die Windeinflüsse am Mikrofon zu reduzieren kam ein Schaumstoff-Windschirm zum Einsatz. Es wurden jeweils 4 Messungen über 1 Minute durchgeführt und gemittelt. Die gewonnenen Messergebnisse zeigten nur geringe Unterschiede zwischen den einzelnen untersuchten Cabriolets, d. h. im kleinen japanischen Mazda MX5 wurden nahezu dieselben Geräuschpegel wie im großen britischen Bentley Continental GT gemessen. Größere Unterschiede konnten sich jedoch aufgrund der Verkehrsdichte durch andere Fahrzeuge auf der Straße ergeben. In dem Bericht werden die Ergebnisse jeweils als Mittelwerte für alle untersuchten Fahrzeuge angegeben. Die mit heruntergefahrenen Seitenscheiben gewonnenen Ergebnisse sind in der Tabelle 1 zusammengestellt. Danach ergibt sich schon für die verhältnismäßig niedrige Geschwindikeit von 80 km/h ein äquivalenter Dauerschallpegel LAeq von 87,4 dB(A) (Mittelwert). Für 96 km/h und 112 km/h errechnen sich Mittelwerte von 87,8 dB(A) und 89,1 dB(A). Mit hochgefahrenen Fenstern werden bei 112 km/h im Mittel um etwa 5 dB niedrigere Pegel gemessen. Auf der Grundlage der gewonnenen Ergebnisse wird gefolgert, dass bei längeren Fahrten mit heruntergefahrenen Seitenscheiben die Gefahr einer Gehörschädigung besteht.
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Schalldruckpegel in dB |
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Geschwindigkeit |
80 km/h |
96 km/h |
112 km/h |
Mittelwert für 7 Fahrzeuge |
87,4 |
87,8 |
89,1 |
Tabelle 1: Von Michael et al. [1] für 7 Cabriolets bei offenem Dach und versenkten Seitenscheiben berechnete mittlere äquivalente Dauerschallpegel LAeq
3. Studie von Mikulec et al.
In der von Mikulec et al. [2] in den USA durchgeführten Studie wurden die Geräuschbelastungen für die folgenden 5 Cabriolets untersucht: Saturn Sky Turbo (Bj. 2009), Nissan 350 Z (Bj. 2004), Porsche 911 (Bj. 2001), Saab Aero (Bj. 2005) und Ford Mustang (Bj. 2005). Diese Fahrzeuge wurden auf einem Highway bei Geschwindigkeiten von 89 km/h (55 mph), 105 km/h (65 mph) und 121km/h (75 mph) gemessen, und zwar sowohl mit geschlossenem Dach als auch offen mit heruntergefahrenen Seitenscheiben.
Die Geräuschbelastung wurde jeweils mit einem Schallpegelmesser der Klasse 2 (Quest 210) am linken Ohr des Fahrers erfasst. Leider wurden dabei nicht die für die Beurteilung der Gehörgefährdung maßgebenden äquivalenten Dauerschallpegel LAeq bestimmt, sondern es wurden die Maximalpegel in Takten von 3 Sekunden erfasst und jeweils über 8 bis 10 Takte gemittelt. Diese Messung wurde dann jeweils einmal wiederholt, so dass sich Gesamt-Messdauern von 48 bis 60 Sekunden ergeben. Leider gibt es keinen Hinweis darauf, ob es sich um A-bewertete Pegel handelt, in welcher Zeitbewertung (z.B. „Fast“ oder „Slow“) der Maximalpegel bestimmt wurde und wie die Maximalpegel gemittelt wurden (energetisch oder arithmetisch). Bei den ausgewiesenen Ergebnissen kann man aber wohl annehmen, dass es sich um A-bewertete Pegel handelt. Schließlich fehlt auch ein Hinweis, ob ein Windschirm für das Mikrofon eingesetzt wurde.
Die in dieser Studie gewählte ungewöhnliche Messgröße des mittleren Takt-Maximalpegels fällt bei schwankenden Geräuschen und energetischer Mittelung vermutlich etwas höher aus als der A-bewertete äquivalente Dauerschallpegel. Andererseits kann man annehmen, dass es auf dem Highway weniger Überholvorgänge gibt als auf den meisten deutschen Autobahnen und die Geräuschbelastungen somit etwas niedriger ausfallen (weniger Geräusche von anderen Fahrzeugen). Die Messergebnisse von Mikulec et al. sind in der Tabelle 2 zusammengestellt.
Tabelle 2: Von Mikulec et al. [2] für 5 Cabriolets bei offenem Dach und versenkten Seitenscheiben gewonnene mittlere Takt-Maximalpegel mit einer Taktzeit von 3 s
Interessanterweise zeigen sich bei den Messungen von Mikulec et al. [2] im Gegensatz zu den Messungen von Michael et al. [1] wesentlich größere Unterschiede zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen. So werden bei der Geschwindigkeit von 121 km/h für den Saab, den Ford Mustang und den Porsche Schalldruckpegel von rund 85 dB(A) gemessen, während die Messwerte für den Nissan mit ca. 95 dB(A) und für den Saturn Sky mit ca. 99 dB bei dieser Geschwindigkeit deutlich höher ausfallen. Der höchste Wert ergibt sich für den Saturn Sky, der in Europa mit einigen Modifikationen als Opel Speedster angeboten wurde. Der ermittelte mittlere Maximalpegel von 99 dB(A) wurde offenbar in vielen Pressemeldungen übernommen, um damit vor der Gehörgefährdung im Cabrio zu warnen.
Ohne auf die großen fahrzeugspezifischen Unterschiede von bis zu 14 dB(A) einzugehen, werden von Mikulec et al. die für die verschiedenen Fahrzeuge gewonnenen Ergebnisse gemittelt. So errechnen sich für die Geschwindigkeiten von 89 km/h, 105 km/h und 121 km/h Lärmbelastungen von 85,3 dB(A), 88,4 dB(A) und 89,9 dB(A). Daraus wird gefolgert, dass die Fahrer von Cabriolets einem erhöhten Gehörschadensrisiko ausgesetzt sind und bei Geschwindigkeiten ab 85 km/h nur mit geschlossenem Dach oder mit Gehörschutz fahren sollten.
Da die Ergebnisse von Mikulec et al. je nach Fahrzeug sehr unterschiedlich ausfallen, ist es sinnvoll, bei der Auswertung dieser Daten zwei unterschiedliche Fahrzeuggruppen zu unterscheiden. So kann man die beiden besonders lauten Fahrzeuge, den Saturn Sky und den Nissan 350Z, als eine eigene Gruppe „laute Cabrios“ betrachten. Für diese beiden Fahrzeuge errechnen sich für die Geschwindigkeiten von 89, 105, und 121 km/h Mittelwerte von 89,6 dB(A), 93,6 dB(A) und 97,0 dB(A). Die von Mikulec et al. im Porsche, Saab und Ford Mustang gemessenen Schalldruckpegel liegen dagegen auf einem deutlich niedrigeren Niveau und sollen deshalb hier als Fahrzeuggruppe „normale Cabrios“ separat betrachtet werden. Für diese Fahrzeuge errechnen sich bei den Geschwindigkeiten von 89, 105, und 121 km/h mittlere Schalldruckpegel von 82,6 dB(A), 84,9 dB(A) und 85,1 dB(A).
4. Eigene Messungen
Bei den eigenen Messungen konnte ein weites Spektrum an Cabriolets, vom nahezu 50 Jahre alten Mercedes 280 SL bis hin zum brandneuen Opel Cascada, untersucht werden. Für die ersten eigenen Messungen und die Erprobung der Messmethodik standen ein älteres Porsche-Cabriolet (911, Baujahr 1986) und ein modernes viersitziges Cabriolet von Opel (Cascada, Baujahr 2017) zur Verfügung [3]. Bei dem Porsche handelt es sich um ein Cabriolet mit relativ steiler Windschutzscheibe, so dass damit typische Werte für die große Zahl an klassischen Cabrios zu erwarten sind. Der Opel weist dagegen die heute vielfach übliche Bauform mit einer relativ flachen, weit über den Innenraum gezogenen Frontscheibe auf und kann damit die Lärmsituation für moderne Cabrios vermutlich besser beschreiben.
Weitere Messungen wurden mit einem Mercedes 280 SL (Baujahr 1970), der sogenannten Pagode, einem rund 25 Jahre alter Saab 900S (Baujahr 1992) und einem mit rund 15 Jahren noch relativ jungen Mercedes SLK (Baujahr 2003) durchgeführt. Beim Vergleich dieser Fahrzeuge fällt auf, dass die Frontscheiben im Laufe der Jahre aus Gründen der Aerodynamik immer stärker geneigt wurden. Während die Frontscheibe im alten 280 SL sehr steil steht, ist sie im neueren Saab schon wesentlich stärker nach hinten geneigt, ähnlich wie beim Porsche. Beim Mercedes SLK ist die Frontscheibe relativ niedrig und noch deutlich stärker geneigt, vergleichbar mit dem Opel Cascada. Der SLK hat serienmäßig ein fest eingebautes, kleines Windschott, das den Bereich zwischen den beiden Schutzbügeln hinter den Sitzen abdeckt. Die übrigen Cabriolets wurden jeweils ohne Windschott gemessen. Messungen für den Porsche hatten gezeigt, dass das Windschott zwar die Turbulenzen wesentlich reduziert aber keinen nennenswerten Einfluss auf die Geräuschbelastung hat.
Bei den ersten Messungen [3] wurde die Geräuschbelastungen mit 2 geprüften Präzisions-Schallpegelmessern (Norsonic 140, Klasse 1) jeweils parallel an beiden Ohren erfasst. Wie in Bild 1 gezeigt, wurden die Mikrofone mit Windschirmen dabei mittels eines Gurtsystems in ca. 10 cm Abstand zu den Ohren fixiert. Da sich am linken Ohr jeweils etwas höhere Schalldruckpegel ergaben als am rechten Ohr, wurde bei späteren Fahrten nur noch linksseitig gemessen. Die Unterschiede betrugen bei versenkten Seitenscheiben ca. 3 bis 4 dB(A), bei hochgefahrenen Scheiben ca. 1 dB(A). Gemessen wurde vorwiegend auf Autobahnen im Raum Köln und Aachen. Dabei herrschte in der Regel eine hohe Verkehrsdichte und es waren viele Lastkraftwagen unterwegs. Gemessen wurde bei den Geschwindigkeiten von 80, 100, 120 km/h (Geschwindigkeitsmessung über GPS). Einzelne Fahrzeuge wurden zusätzlich auch bei 60 km/h sowie bei höheren Geschwindigkeiten bis 180 km/h gemessen.
Bild 1: Befestigung der Mikrofone (mit Windschirmen) auf beiden Seiten des Kopfes mit Hilfe eines Gurtsystems (ca. 10 cm Abstand zu den Ohren)
Für den Porsche und den Opel [3] wurden bei jeder Geschwindigkeit vier Messungen über 60 s durchgeführt. Für die beiden Mercedes und den Saab wurden mindestens 2 Messungen über die Dauer von 30 s durchgeführt. Bei Abweichungen um mehr als 2 dB(A) wurden zwei zusätzliche Messungen über 30 s durchgeführt. Als Messwert wurde jeweils der A-bewertete äquivalenter Dauerschallpegel LAeq erfasst. Die für ein Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit gewonnenen Ergebnisse wurden dann energetisch gemittelt.
Die durchgeführten Messungen lassen insbesondere bei niedrigen Geschwindigkeiten einen deutlichen Einfluss von überholenden oder überholten Fahrzeuge auf der Strecke erkennen. Je nach Verkehrssituation können sich so um bis zu ca. 3 dB(A) abweichende Geräuschbelastungen ergeben. Das zeigt z.B. die Pegelaufzeichnung in Bild 2 für den Porsche 911 mit versenkten Seitenscheiben bei einer Geschwindigkeit von 120 km/h. Während hier der Grundgeräuschpegel im Bereich von 85 dB(A) liegt, werden bei Überholvorgängen Schalldruckpegel bis zu rund 90 dB(A) erreicht. Die Pegelmittelung über 4 Messungen von jeweils 60 s ergab für den Porsche bei 120 km/h einen äquivalenten Dauerschallpegel LAeq von 85,8 dB.
Bild 2: Pegelschrieb für offenen Porsche 911 (Seitenscheiben versenkt) bei Autobahnfahrt mit einer Geschwindigkeit von 120 km/h (linkes Ohr)
Die Geräuschbelastung im offenen Cabriolet ist jeweils ausgesprochen tieffrequent. Bild 3 zeigt entsprechende Terzbandspektren für drei Fahrzeuge bei 120 km/h und versenkten Seitenscheiben, den Opel Cascada, den Mercedes Pagode und den Porsche 911. Obwohl sich diese Fahrzeuge – wie bereits erwähnt - deutlich in der Neigung der Frontscheibe unterscheiden, fallen die Unterschiede in den Geräuschspektren relativ klein aus. Die Geräuschbelastung wird vor allem durch den Fahrtwind und andere Fahrzeuge auf der Strecke bestimmt (siehe [4]).
Bild 3: Terzband-Frequenzspektren für 3 Fahrzeuge bei 120 km/h mit offenem Dach und versenkten Seitenscheiben.
Beim Mercedes und beim Porsche ist das Motorgeräusch ist bei dieser Geschwindigkeit jeweils noch hörbar, liegt aber deutlich unter den Geräuschen des Fahrtwindes. Bild 4 zeigt das Geräuschspektrum des Motorgeräusches für den Porsche bei 120 km/h (ca. 3000 U/min) im Vergleich zu dem Gesamtgeräusch mit versenkten sowie mit hochgefahrenen Seitenscheiben. Hier zeigt sich, dass sich die Geräuschbelastung durch ein Hochfahren der Seitenscheiben vor allem im oberen Frequenzbereich ab 500 Hz deutlich reduzieren lässt.
Bild 4: Terzband-Frequenzspektren für Porsche 911 bei 120 km/h mit versenkten bzw. hochgefahrenen Seitenscheiben im Vergleich zum Motorgeräusch bei der entsprechenden Geschwindigkeit
Die für die untersuchten 5 Cabriolets bei versenkten Seitenscheiben am linken Ohr aufgenommenen äquivalenten Dauerschallpegel LAeq sind im Bild 5 für den Geschwindigkeitsbereich von 80 bis 120 km/h dargestellt. Hier lässt sich jeweils ein leichter Anstieg des Pegels mit der Geschwindigkeit erkennen. Der im allgemeinen als Grenze für die Gehörgefährdung angesetzte Wert von 85 dB(A) wird für den Opel, den Porsche und den Saab bei der Geschwindigkeiten von ca. 120 km/h erreicht. Der nahezu 50 Jahre alte Mercedes 280 SL erzeugt etwas lautere mechanische Geräusche (Motor, Getriebe), so dass schon bei 80 km/h ein Pegel von 85 dB(A) erreicht wird. Bei 120 km/h werden rund 86 dB(A) gemessen. Der Mercedes SLK liegt im unteren Geschwindigkeitsbereich auf dem selben Niveau wie Opel, Porsche und Saab. Bei 120 km/h wird es aber mit nahezu 89 dB(A) deutlich lauter. Trotz des vorhandenen Windschotts sind hinter der relativ niedrigen Frontscheibe zudem relativ starke Turbulenzen spürbar.
Bild 5: Für 5 Cabriolets bei offenem Dach und versenkten Seitenscheiben aufgenommene Schalldruckpegel LAeq in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit (Messung am linken Ohr des Fahrers)
Mit hochgefahrenen Seitenscheiben fällt die Geräuschbelastung in allen Fahrzeugen deutlich niedriger aus, wie die entsprechenden Ergebnisse in Bild 6 erkennen lassen. Durch ein Hochfahren der Seitenscheiben reduzieren sich die Pegel im Opel und Saab um bis zu 8 dB(A), so dass die Geräuschbelastung im Geschwindigkeitsbereich bis 120 km/h unter 80 dB(A) bleibt. Für die beiden Mercedes und den Porsche lassen sich die Pegel durch das Hochfahren der Seitenscheiben um ca. 3 bis 5 dB(A) verringern. Die Schalldruckpegel liegen damit unter 85 dB(A).
Mit geschlossenem Dach fallen die Geräuschbelastungen in allen Cabrios deutlich niedriger aus. Selbst im rund 30 Jahre alten Porsche wird der Schalldruckpegel von 85 dB(A) erst bei Geschwindigkeiten oberhalb von 180 km/h erreicht.
Bild 6: Für 5 Cabriolets bei offenem Dach und hochgefahrenen Seitenscheiben aufgenommene Schalldruckpegel LAeq in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit (Messung am linken Ohr des Fahrers)
5. Vergleich der Ergebnisse der verschiedenen Studien
In Bild 7 sind die Ergebnisse der Studien von Michael et al. [1] (rote Kurve) und Mikulec et al. [2] (gelbe und schwarze Kurve) den eigenen Messwerten (blaue Kurven) gegenübergestellt. Da Michael et al. die Geräuschbelastungen bei Geschwindigkeiten von 50, 60 und 70 mph und Mikulec et al. bei 55, 65 und 75 mph gemessen haben, mussten die Ergebnisse zur Anpassung an die Skalierung der Geschwindigkeitsachse in km/h jeweils interpoliert werden.
Die eigenen Ergebnisse wurden für die fünf untersuchten Fahrzeuge gemittelt, die Ergebnisse für 90 km/h und 110 km/h interpoliert. Bei heruntergefahrenen Seitenscheiben ergeben sich im betrachteten Geschwindigkeitsbereich Mittelwerte von 82,7 bis 86,0 dB(A) (siehe dunkelblaue Kurve in Bild 7). Bei hochgefahrenen Fenstern liegen die gemittelten Schalldruckpegel zwischen 78,2 und 81,4 dB(A) (siehe hellblaue Kurve in Bild 7).
Bild 7: Gegenüberstellung der Ergebnisse zur Geräuschexposition im Cabrio aus den Studien von Michael et al. [1] und Mikulec et al. [2] (jeweils mit versenkten Seitenscheiben, Werte z.T. interpoliert) und aus den eigenen Messungen (sowohl mit versenkten als auch hochgefahrenen Seitenscheiben)
Die von Michael et al. [1] für 7 Cabriolets mit heruntergefahrenen Seitenscheiben gewonnenen Mittelwerte von 87,4 bis 89,1 dB(A) fallen unerwartet hoch aus (rote Kurve in Bild 7) und liegen damit rund 4 bis 5 dB(A) über den entsprechenden eigenen Messwerten (dunkelblaue Kurve). Gewisse Abweichungen lassen sich vielleicht daraus erklären, dass bei den Messungen von Michael et al. ein relativ einfacher Schallpegelmesser der Klasse 2 eingesetzt wurde. Auch können sich die Position und Fixierung des Mikrofons sowie der eingesetzte Windschirm auf das Ergebnis auswirken. Die festgestellten großen Abweichungen sind damit jedoch kaum zu erklären. Allein der schon bei der geringen Geschwindigkeit von 80 km/h gewonnene Messwert von 87,4 dB(A) gibt Anlass an den Ergebnissen von Michael et al. zu zweifeln, da dieser Wert der subjektiven Empfindung widerspricht. Erfahrungsgemäß kann man sich bei dieser Geschwindigkeit noch ganz entspannt unterhalten. Auch die Autoren dieser Studie haben offenbar ihre Zweifel, da sie anmerken, dass die abgelesenen Messwerte nicht mit dem subjektiven Empfinden übereinstimmen. Deshalb überlegen sie, ob man für die Messungen nicht besser einen Kunstkopf eingesetzt hätte.
Leider kam bei den Messungen von Mikulec et al. [2] auch nur ein Klasse 2-Schallpegelmesser zum Einsatz. Zudem wurde eine ungewöhnliche Einstellung des Messgerätes auf Maximalpegel gewählt, die nicht genauer beschrieben wird. Bei dieser Einstellung des Schallpegelmessers sollten die Messwerte eigentlich etwas höher ausfallen als bei Erfassung des äquivalenten Dauerschallpegels. Erstaunlicherweise unterscheiden sich die Ergebnisse von Mikulec et al. bei Betrachtung der Gruppe „normale Cabrios“ (Porsche, Saab und Ford Mustang - gelbe Kurve in Bild 7) nur geringfügig von den eigenen Messwerten (dunkelblaue Kurve in Bild 7). Möglicherweise waren die Geräuschbelastungen auf den Highways aufgrund der geringeren Verkehrsdichte und weniger Überholvorgängen tatsächlich entsprechend niedriger als auf deutschen Autobahnen.
Bei Auswertung der Messungen von Mikulec et al. für die Gruppe „laute Cabrios“ (Saturn Sky und Nissan 350Z) ergeben sich deutlich höhere Geräuschbelastungen. So errechnen sich für die Geschwindigkeiten von 89, 105, und 121 km/h Mittelwerte von 89,6 dB(A), 93,6 dB(A) und 97,0 dB(A) (schwarze Kurve in Bild 7), die damit um bis zu ca. 12 dB(A) über den eigenen Ergebnissen (dunkelblaue Kurve) liegen.
Zum Vergleich ist in Bild 7 auch die aus den eigenen Ergebnissen berechnete mittlere Geräuschbelastung bei hochgefahrenen Seitenscheiben dargestellt (hellblaue Kurve). Dazu ist anzumerken, dass sich je nach Fahrzeug bei hochgefahrenen Scheiben um bis zu 5 dB(A) unterschiedliche Schalldruckpegel ergeben können (siehe Bild 6).
6. Schlussfolgerungen
Die durchgeführte Untersuchung hat gezeigt, dass die tatsächlichen Gehörbelastungen in üblichen Cabriolets deutlich niedriger ausfallen als vielfach angegeben. Nach den aktuellen eigenen Messergebnissen wird der im allgemeinen als Grenze für die Gehörgefährdung angenommene Schalldruckpegel von 85 dB(A) in den untersuchten Cabriolets selbst bei voll versenkten Seitenscheiben in der Regel erst bei Geschwindigkeiten von ca. 120 km/h erreicht. Damit wäre das Gehör des Fahrers nur dann gefährdet, wenn er sich täglich über viele Stunden dieser Geräuschbelastung aussetzt und das über viele Jahre hinweg (siehe VDI 2058-2 [5]).
Zudem ist ein großer Teil der Cabrio-Fahrer mit hochgefahrenen Seitenscheiben unterwegs und somit um ca. 3 bis 8 dB(A) niedriger belastet. Außerdem bevorzugen die meisten Fahrer ein entspanntes Fahren auf kleineren Straßen und in schöner Landschaft und bewegen sich damit im Geschwindigkeitsbereich bis etwa 80 km/h. Die Geräuschbelastungen liegen dabei in der Regel unterhalb von 80 dB(A).
Obwohl die Ergebnisse von Mikulec et al. [2] z.B. aufgrund der falschen Einstellung des Schallpegelmessers höchst zweifelhaft sind, kann man nicht ausschließen, dass in einzelnen Cabriolets auch höhere Geräuschbelastungen vorkommen. Die für zwei Fahrzeuge bei 120 km/h gemessenen Pegel von 95 und 99 dB sind allerdings so hoch und in starkem Maße belästigend, dass sich der Fahrer eines Cabrios dieser Belastung wohl kaum über längere Zeit aussetzen würde. Um solche denkbaren Problemfälle aufzuspüren, bedarf es ergänzender fachkundiger Messungen mit der geeigneten Messtechnik. Sollten sich dabei tatsächlich so hohe Pegel ergeben, wären weitergehende Untersuchungen notwendig, um die Geräuschursachen zu ermitteln und geeignete Lärmminderungsmaßnahmen zu entwickeln.
Gestützt auf die bisher vorliegenden eigenen Ergebnisse ist jedoch festzustellen, dass für die Fahrer von handelsüblichen Cabriolets keine Gefahr einer Gehörschädigung besteht.
Literatur
[1] Michael, P., Opie, N., Smith, M.: Noise exposure and convertible cars. Otolaryngology-Head and Neck Surgery (2010) 143, pp. 219-222
[2] Mikulec, A. A., Lukens, S. B., Jackson, L. E., Deyoung, M. N.: Noise exposure in convertible automobiles. The Journal of Laryngology & Otology, Volume 125, Issue 2, February 2011, pp. 121-125
[3] Maue, J. H.: Gehörbelastungen beim Cabrio Fahren. Lärmbekämpfung Bd. 12 (2017) Nr. 4 – Juli, S. 129-134
[4] Maue, J. H. und Brusis, T.: Aus der Gutachterpraxis: Gehörschäden durch Cabrio fahren? Laryngo-Rhino-Otol 2018; 97; S. 50-55
[5] VDI 2058 Blatt 2: Beurteilung von Lärm hinsichtlich Gehörgefährdung